Franziska Schild
Nach dem Gymnasium habe ich ein Studium zur eidgenössisch diplomierten Turn- und Sportlehrerin an der Universität Bern absolviert. Bereits während des Diplom I (heute Bachelor) merkte ich, dass der Lehrerberuf nicht das Richtige für mich ist und wechselte für das Diplom II (heute Master) an die ETH Zürich. Dort hatte ich die Möglichkeit neben dem Sportstudium ein Komplementärstudium in BWL und Sportmanagement zu absolvieren. Nach abgeschlossenem Studium kehrte ich nach Bern zurück mit der Absicht, im Bereich Sportmanagement bei einem Sportverband meine ersten Erfahrungen zu machen. Leider merkte ich rasch, dass die Sportwelt nicht auf eine junge Frau ohne Berufserfahrung gewartet hat. Trotz vieler Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen wollte es nicht auf Anhieb mit einem Job im Sportbereich klappen. Ich rutschte deshalb eher zufällig in die Immobilienbranche, weil meine Schwester dort arbeitete und für mich ein gutes Wort einlegte. Aus anfänglich vereinbarten 6 Monaten wurden 9 Jahre. Ich begann als Projektassistenz und konnte rasch die Verantwortung für eigene Projekte übernehmen. Die Firma wuchs rasch und es ging darum Prozesse zu vereinheitlichen und ganze Organisationen zu integrieren. Ich merkte, dass mir diese Arbeiten lagen, und machte einen Diplomlehrgang zur Expertin in Organisationsmanagement. Während des Studiums und in der Anfangszeit meines Erwerbslebens war ich noch aktive Spielerin in der damaligen NLA bei Rot-Schwarz Thun und dem FC Schwerzenbach (heute GC) und auch Mitglied des Schweizer Frauennationalteams. Ich beendete meine aktive Karriere aber relativ früh und stieg nach nur einem Jahr Pause bereits als Trainerin ein. Ich arbeitete vor allem im Juniorinnen Spitzenfussball bei Rot-Schwarz Thun und dann bei den neu beim BSC YB integrierten Frauen Nachwuchsteams.
Beruflich wechselte ich in dieser Zeit zu den SBB Immobilien und durfte dort die Abteilung Qualität und Sicherheit leiten und wertvolle Führungserfahrung sammeln. Die Doppelbelastung in einer hohen Kaderposition mit viel Verantwortung und meinen Ansprüchen an mein Trainerinnenamt wurden mit zu viel und ich entschied mich im Alter von 35 Jahren, eine Auszeit zu nehmen. Ich kündigte Job und Wohnung und machte eine Weltreise. Der Plan war, mir mindestens 1 Jahr Zeit zu nehmen. Bereits nach ca. 3 Monaten wurde ich kontaktiert, weil der SFV eine Ressortleiterin Frauenfussball suchte. Trotz des unkonventionellen Bewerbungsprozesses (via Skype war 2014 noch nicht üblich…) erhielt ich den Job mit der Auflage, dass der 1. Juli 2014 Arbeitsbeginn sein müsse. Ich entschloss mich, diese einmalige Chance zu packen und beendete somit die Weltreise nach 7 Monaten. Liess es mir aber nicht nehmen, die drei Gruppenspiele des Schweizer Nationalteams an der WM in Brasilien noch vor Ort anzuschauen 😊
So bin ich nach einigen Umwegen doch noch im Sportumfeld gelandet und konnte währen 4 Jahren den Frauenfussball in der Schweiz leiten. Es war eine spannende Zeit, in der der Frauenfussball auch dank Martina Voss-Tecklenburg als Nationaltrainerin einen ersten Aufschwung erreichte und sich 2017 erstmalig für eine WM-Endrunde qualifizierte. Ich war in dieser Rolle sowohl für die Nationalteams, den Frauen Spitzenfussball als auch für die Entwicklung des Mädchen- und Frauenfussballs in der Breite verantwortlich und durfte mit der WM in Kanada und der EM in Holland auch zwei Endrunden hautnah miterleben. Nach einem kurzen „Intermezzo“ von 1.5 Jahren bei Swiss Olympic, wo ich verschiedene Sportverbände in der Leistungssportförderung unterstützte, wechselte ich im September 2020 als Leiterin Fussballentwicklung zum Fussballverband Bern/Jura. In dieser Funktion bin ich insbesondere für die Traineraus- und Weiterbildung in der Region verantwortlich und koordiniere und leite zusammen mit meinem Expertenteam die Trainerkurse bis und mit UEFA B Diplom. Daneben führen wir auch Weiterbildungen für interessierte Trainer:innen auf freiwilliger Basis in unserer Region durch. Ich unterstütze die Vereine, wenn es z.B. darum geht, das neue Wettspielformat BRACK.CH play more football oder aktuell die neuen Juniorenkategorien D-7 und D-9 einzuführen. Ich bin nahe an der Basis und in engem Austausch mit unseren 200 Vereinen im FVBJ, was mir sehr gefällt.
Ich war zuerst tatsächlich ein bisschen naiv und dachte, die Sportwelt hat auf mich gewartet 😊 Was mir geholfen hat ist die Erkenntnis, dass Umwege nicht hinderlich sind. Ich habe zum Beispiel in der Zeit in der Immobilienbranche sehr wertvolle Erfahrungen machen können in den Bereichen Führung und Organisationsmanagement, welche mir in meinen heutigen Aufgaben in der Sportbranche zugutekommen.
Es war nicht in diesem Sinne ein Jobangebot aber man hat mich stark ermutigt, mich zu bewerben. Meine erste spontane Reaktion war, dass ich meine Reise sicher nicht abbreche wegen einem Job. Aber dann hat man auf einer Weltreise viel Zeit zum Überlegen und ich merkte, dass mich diese Stelle sehr reizen würde. Insbesondere da ich zum ersten Mal die Möglichkeit hatte, 100% im Fussball tätig zu sein. Deshalb war ich dann auch gerne bereit, meine Reise früher als geplant (nach 7 Monaten) abzubrechen.
Zu meiner Zeit als Fussballerin war alles noch sehr amateurhaft, auch wenn ich in der obersten Liga und zum Teil auch im Nationalteam spielte - also kaum vergleichbar mit der heutigen Situation. Als Trainerin war ich meist die einzige Frau in den Kursen und musste schon eine ziemlich dicke Haut haben und mich durchboxen. Deshalb ist es mir jetzt auch so wichtig, mich dafür einzusetzen, dass sich mehr Frauen im Fussball engagieren und dies von den Entscheidungsträgern auch gefördert wird (nicht nur im Frauenfussball…). Wir brauchen mehr Role Models insbesondere im Bereich der Trainerinnen, Funktionärinnen und Schiedsrichterinnen.
Mit Menschen arbeiten, Menschen entwickeln finde ich eine sehr schöne und erfüllende Aufgabe. Zu sehen, was die Trainerinnen und Trainer zum Beispiel in einem C Basic Kurs für eine Entwicklung durchmachen innerhalb einer Woche ist toll. Ausserdem kannst du auch als Expertin in jedem Kurs etwas für dich mitnehmen. Der Austausch im Expert:innen-Team oder mit den Teilnehmenden ist immer sehr bereichernd. Ich bin auch oft im Austausch mit den Vereinen in der Region und versuche zu spüren, wo der Schuh drückt und sie entsprechend zu unterstützen. Daraus ist zum Beispiel unser aktuellstes Projekt das KIFU-Mentoring entstanden, bei dem wir die Vereine im Bereich Kinderfussball unterstützen.
Die WEURO 2025 ist sicher ein Highlight, auch wenn ich in der aktuellen Funktion ja nicht per se für den Frauenfussball verantwortlich bin. Aber die Entwicklung des Frauenfussballs liegt mir natürlich am Herzen und deshalb engagiere ich mich sehr dafür, dass wir diese grosse Chance packen und das Turnier insbesondere für eine bessere Wahrnehmung und Sichtbarkeit des Frauenfussballs nutzen können. Das Turnier kann viel Bewirkungen, die Voraussetzungen stehen gut. Das zeigt auch der Fakt, wie gut der Vorverkauf auf das Turnier in den letzten Tagen angelaufen ist. Es müssen aber alle mithelfen, um aus der Euphorie möglichst viel herauszuholen. Sei das, dass mehr Zuschauer:innen die Spiele auch in der AWSL schauen, dass wir mehr Trainerinnen ausbilden können oder die Vereine mehr Mädchenteams aufbauen können. Das passiert alles nicht automatisch, da haben wir als Regionalverband in Zusammenarbeit mit dem SFV, den Austragungsorten und den Vereinen noch einige Aufgaben zu erledigen.
Obwohl ich dem Verein und insbesondere der Frauenabteilung als Mitglied des YB Frauen Beirats jetzt schon recht Nahe stehe, werde ich mir zuerst ein Bild vor Ort machen müssen, bevor ich dies im Detail beantworten kann. Mir ist es aber sicher ein Anliegen, die positive Entwicklung der letzten Jahre bei den YB Frauen weiter zu führen und dann gezielt die eine oder andere Verbesserung anzubringen. Ein Vorteil ist sicher, dass ich den Fussball auf vielen verschiedenen Ebenen aus eigener Erfahrung kenne, sei dies als Spielerin, Trainerin oder Funktionärin und insbesondere als Trainerin schon für die YB Frauen tätig war.
Die erstmalige WM-Teilnahme des Frauen Nationalteams 2015 in Kanada, damals als Verantwortliche für den Frauenfussball beim SFV, war wohl der eindrücklichste Moment. Insbesondere weil wir zu meiner aktiven Spielerinnenzeit noch Meilenweit von einer Endrundenteilnahme entfernt waren. Dies dann doch noch «aktiv» miterleben zu können war schon sehr eindrücklich.
Ich habe vor allem den Austausch mit den anderen Teilnehmenden sehr geschätzt und als überaus bereichernd empfunden. Insbesondere, wenn du aus der Sportart Fussball kommst, ist es spannend zu sehen, mit welchen Themen die anderen Sportarten teilweise zu kämpfen haben und wie sie es schaffen, aus wenigen Mitteln, viel herauszuholen.
Ich finde es wichtig, neben der Begeisterung für den Sport eine fundierte Grundausbildung, die möglichst breit gefächert ist, zu haben. Es reicht nicht, Fan zu sein aber auch nicht, ehemalige/r Profi zu sein. Ausserdem helfen alle Erfahrungen, welche auch in anderen Branchen gesammelt werden. Und das wichtigste finde ich, mutig zu sein – neue Herausforderungen anzunehmen.
Vielen Dank für das spannende Interview, liebe Franziska!