Christoph Spycher
Erst im Jahr 1999 wechselte der dazumal 21-jährige Christoph Spycher vom FC Münsingen in den Profibetrieb vom FC Luzern. Nach zwei Jahren folgte der Transfer zum Grasshopper Club Zürich, mit dem er 2003 Schweizer Meister wurde. Zur Saison 2005/06 wechselte er zum deutschen Erstligisten Eintracht Frankfurt, bei dem er Stammspieler und später auch Mannschaftskapitän wurde. Er galt bei Eintracht Frankfurt als verlängerter Arm des Trainers auf dem Spielfeld und konnte insgesamt 129 Bundesligaeinsätze verbuchen. 2010 kehrte er in die Schweiz zurück und spielte bis 2014 bei den Bernern Young Boys (YB). Für die Schweizer Nationalmannschaft bestritt er 47 Länderspiele, unter anderem an den Europameisterschaften 2004 und 2008 und an der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland.
Noch während beziehungsweise vor seiner Profikarriere erlangte Spycher den Matura-Abschluss. Nach seiner aktiven Profikarriere stieg er dann sogleich als Talentmanager bei YB ein und hinterliess dort gemäss dem Verwaltungsratspräsidenten Hanspeter Kienberger „einen hervorragenden Eindruck“. Während seiner Zeit als Talentmanager absolvierte er zudem die Sportmanagement-Weiterbildung an der Universität St. Gallen. Im September 2016 sah man dann Christoph Spycher als idealen Kandidaten, um die Berner Young Boys als Sportchef wieder auf Kurs zu bringen. Dies gelang ihm schneller als erhofft - in der Saison 2017/2018 durfte er mit seinem Team den ersten Meistertitel seit 32 Jahren feiern und konnte diesen Triumph mehrmals bestätigen. Auf die Saison 2022/2023 folgte eine Verstärkung und Reorganisation der sportlichen Abteilung der Berner Young Boys. im Zuge dessen übernahm Christoph Spycher die Funktion als Vorstand Sport. Spycher, der zu diesem Zeitpunkt mit YB ab 2017/18 viermal Meister und einmal Cupsieger wurde und zweimal die Champions League erreichte, bleibt Gesamtverantwortlicher des Sports.
Er gehört zu diesem Zeitpunkt als VR-Delegierter Sport sowohl dem Verwaltungsrat als auch der Geschäftsleitung an und leitet die Sportkommission – weiterhin mit Hauptverantwortung über die Sportabteilung.
Es ist auf jeden Fall ein grosser Einschnitt. Man hat das halbe Leben dem Sport gewidmet und dann kommt ein Punkt, wo man wieder von vorne beginnen muss. Ich habe mich bereits gegen Ende meiner Profikarriere mit diesem bevorstehenden Neuanfang beschäftigt und dazumal intensiv Gedanken darüber gemacht, wo der Weg nach meiner aktiven Fussballerkarriere hinführen könnte.
Das Wichtigste ist, den Mut zu haben, seinen eigenen Weg zu finden. Wenn man über 15 Jahre Profisportler war, ist es nahezu unmöglich nach der Karriere diejenigen Leute hinsichtlich der Diplome aufzuholen, die bereits im Alter von 20 Jahren das Studium aufgenommen haben. Es ist auch kaum vorstellbar, dass man mit knapp vierzig noch das Abitur nachholt und zusätzlich noch gut fünf Jahre an die Fachhochschule oder an die Universität geht, um einen Masterabschluss zu erlangen. Wenn man sich bis zum Alter von 35 Jahren Tag für Tag dem Sport hingegeben hat, ist es leider ausgesprochen schwierig, nach der aktiven Karriere diplomtechnisch ein perfektes Bewerbungsdossier abzugeben. Trotzdem kann man im Rahmen seiner Profilaufbahn ungeheuer viel lernen und insbesondere praktisches Wissen mitnehmen. Es gilt schliesslich einen Mittelweg zu finden. Nur weil einem während seiner aktiven Karriere zugejubelt wurde, ist man nun nicht auch in der „Karriere danach“ der Grösste. Trotzdem empfehle ich den Mut um für sich den richtigen Weg zu suchen, ohne das man das Gefühl haben muss, jeden Abschluss zu erlangen.
Für mich war es schon immer klar, dass mich die Stelle als Sportchef reizt. Hätte ich aber meinen optimalen Weg auf dem Reisbrett entwerfen müssen, wäre diese Position erst einige Jahre später infrage gekommen. Zudem war es mir wichtig, dass ich trotz den damaligen Turbulenzen im Verein die Voraussetzungen erhalte, um als Sportchef erfolgreich zu arbeiten. Und so kam es, dass ich, obwohl ich meine Stelle als Talentmanager sehr schätzte, den Job als Sportchef annahm.
Ich glaube schon, dass wir momentan wieder vermehrt auf dem Platz und nicht abseits des sportlichen Geschehens für Furore sorgen. Die ganze Ruhe bringt jedoch nichts, wenn die Qualität der Mannschaft und Vereinsführung nicht stimmen würde. Denn es gibt bestimmt wieder turbulentere Zeiten, wo es gute Führungskräfte und –spieler innerhalb des Vereins braucht, damit es schneller wieder ruhig wird und man sich auf das Sportliche konzentrieren kann.
Es gab auf jeden Fall einzelne Modulwochen, die meine heutige Arbeit mehr tangiert haben als andere. Ich merkte aber auch, dass ich nicht vertieft in einzelnen Bereichen arbeiten möchte. Trotzdem gab es mir ein gewisses Verständnis, dass mir in meiner jetzigen Position hilft, um eben bspw. die entsprechenden Schnittstellen mit der Finanz- oder Marketingabteilung zu meistern. Ich würde mich selber nie in einer Finanzabteilung sehen, trotzdem verstehe ich nun die finanzbezogenen Themen um einiges besser.
Besonders hilfreich war zudem die erste Woche zum Thema „Führung von Sportorganisationen“. Ich wende implizit täglich die entsprechenden Erkenntnisse an, insbesondere wenn es darum geht, wie ich neue Spieler für unser Team gewinnen kann, aber auch wie ich die aktuellen Spieler und Mitarbeiter zu Hochleistungen anspornen kann.
Ich wollte meine Erfahrungen aus dem Sportbereich berufsbegleitend durch entsprechende Managementtools erweitern. Ein Vollzeitstudium kam für mich weniger infrage, da es einerseits mehrere Jahre in Anspruch nimmt und anderseits war mir die praktische Erfahrung als Talentmanager sehr wichtig. Dennoch wollte ich unbedingt auch den theoretischen Input, um so die neusten Forschungserkenntnisse aus dem Sportbereich zu erhalten. Deshalb war die Kombination Sportmanagement-Studium an der HSG und der Job bei YB sehr passend. Zudem gab es mir einen sehr guten Überblick über die Aufgabenbereiche einer Führungskraft im Sportbereich und vor allem auch viele Best-Practice-Beispiele. Des Weiteren hat sich natürlich auch die Qualität der Referenten und die Zufriedenheit der Absolventen herumgesprochen.
Das ist sehr schwierig zu sagen. Der Lehrgang hat mir eindrücklich aufgezeigt, dass sich heutzutage alles viel schneller ändert. Deshalb macht es wenig Sinn, sich zu überlegen, wo man in fünf oder zehn Jahren ist. Ich bin momentan sehr glücklich über die Erfahrungen, die ich in meiner Rolle machen darf. Aber man weiss nie, ob das in zehn Jahren immer noch so ist.
Vielen Dank für das spannende Interview, lieber Christoph!