Michael Schiendorfer
Wer steht hinter dem Erfolg von Ski-Ass Marco Odermatt und wer betreut die besten Schwinger unseres Landes? Zugegebenermassen gibt es in der Fussballbranche viele Berater, die selbst das Rampenlicht suchen. Nicht so Michael Schiendorfer. Michael ist Geschäftsführender Inhaber der Abrogans Basel, ein Unternehmen, das zahlreiche erfolgreiche Sportler/innen im Hintergrund unterstützt – ohne dass er selbst für Schlagzeilen sorgen muss. Zu seinen Kunden zählen aber auch Unternehmen, Verbände und Stiftungen aus Sport und Kultur.
Vor seiner Selbständigkeit war Michael Schiendorfer viele Jahre in führenden Positionen von KMUs bis zu globalen Konzernen tätig, unter anderem als Kommunikationschef von Novartis Schweiz und als globaler Medienchef von HILTI. Umfangreiche Erfahrungen und ein breites Wissen in ganz unterschiedlichen Branchen und verschiedenen Bereichen der Kommunikation zeichnen seine Tätigkeit aus.
Auf akademischer Ebene hat Michael Schiendorfer unter anderem den Executive Master of Science in Communications Management (EMScom) an der Universität Lugano abgeschlossen. Zudem war er im Jahr 2020 Teil unserer Sportmanagement-Weiterbildung. Sein Bestreben ist es, Menschen, Ideen und Strategien zukunftsgestaltend zu verbinden und dadurch für seine Kunden Mehrwert zu schaffen.
Es erfüllt mich mit Freude, nicht mit Stolz. Als Berater sehe ich, wie viel Aufwand die Athletinnen und Athleten für diese Erfolge betreiben und weiss auch, wie schmal der Grat im Spitzensport ist, auf dem sie sich täglich bewegen. Umso schöner ist es, wenn dieser Aufwand dann auch von Erfolg gekrönt ist.
Marco stand in dieser Saison in 15 Rennen zehnmal auf dem Podest, in drei verschiedenen Disziplinen (Stand 20. Januar 2022). Er führt souverän mit grossem Abstand im Gesamtweltcup und in der Disziplinenwertung Riesenslalom. Da ist es klar, dass er auch zu den Top-Medaillenkandidaten an den Olympischen Spielen gehört. Gleichzeitig hat er mit dem Sieg in Adelboden und dem ersten Abfahrtspodest grosse Saisonziele bereits erreicht. Eine Medaille an den Olympischen Spielen würde ich da als weitere Zugabe in einer bereits heute grossartigen Saison betrachten. Ich traue allen Athleten/innen von Swiss-Ski, die sich für die Olympischen Spiele qualifiziert haben, eine Medaille zu. Grossanlässe entwickeln stets eine eigene Dynamik. Von den Pisten über die Schneeverhältnisse und die speziellen Begleitumstände mit Covid-19 - es gibt an diesen Olympischen Spielen viele Unbekannte, was zu der einen oder anderen Überraschung führen könnte.
Eine Spitzensportkarriere lässt sich nur bedingt planen und Prognosen sind entsprechend schwierig, was der Blick zurück auf die damals goldene Generation um Daniel Albrecht, Carlo Janka oder Marc Berthod zeigt. Im Fall von Marco war ich aber bereits 2016, als unsere Zusammenarbeit begann, überzeugt, dass er den Weltcup eines Tages dominieren wird. Es war mir stets klar, dass er der weltbeste Skifahrer seiner Zeit werden wird. Da war ich mir absolut sicher.
Eine Spitzensportkarriere ist ohne die bedingungslose Unterstützung der Familie fast nicht denkbar. Marco steht bereits seit seinem dritten Lebensjahr auf den Skiern. Seine Eltern haben in all diesen Nachwuchsjahren auf vieles verzichtet, um ihrem Sohn diese Karriere zu ermöglichen und haben seinen sportlichen Werdegang eng begleitet. Auch der Athlet selbst hat keine normale Kindheit erlebt, sondern bewegt sich seit frühester Kindheit in diesem Leistungs- und Sportumfeld. Die Familie nimmt im Leben eines Sportlers häufig eine besondere Stellung ein. Insbesondere wenn ein Elternteil auch noch als Trainer tätig ist oder sich in der Anfangsphase der Karriere um gewisse geschäftliche Angelegenheiten des Kindes kümmert. Als Berater habe ich einen externen Blickwinkel, Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Athletinnen und Athleten und auch eine gewisse Distanz zum Athleten und der Familie. Als Person bin ich ein sehr familiärer und empathischer Mensch, was in einem Beruf, der mit Menschen zu tun hat, naturgemäss von Vorteil ist. Gleichzeitig ist es aber – trotz aller Verbundenheit mit dem Athleten und der Familie – auch eine geschäftliche Beziehung. Da darf man sich keine Illusionen machen. Auf beiden Seiten geht es um Leistung. Die Athletinnen und Athleten bewegen sich im Leistungssport und haben auch hohe Erwartungen an ihr Umfeld.
Die Aufgaben sind sehr vielfältig. Als Berater kümmere ich mich von der Gestaltung des Olympiahelms über das Erfüllen von Autogrammwünschen bis hin zur Abwicklung von Medienanfragen und der Verhandlungsführung im Sponsoring um sämtliche geschäftliche Angelegenheiten. Ich bin gewissermassen das Backoffice der Athleten. Mein Ziel ist es stets, dem Athleten oder der Athletin den Rücken in geschäftlicher Hinsicht freizuhalten, so dass er sich bestmöglich auf seine sportlichen Belange konzentrieren kann. Gleichzeitig bin ich auch für sein unmittelbares und erweitertes Umfeld primäre Verbindungsperson zum Athleten und dessen Stellvertretung und versuche in seinem Sinne dieses Umfeld möglichst positiv zu gestalten und zu beeinflussen.
Ich bin mit diesem Fall nicht im Detail vertraut. Aufgrund meiner jahrelangen Kommunikationserfahrung in globalen Führungspositionen rate ich all meinen Klienten generell stets direkt, offen und transparent zu informieren, auch wenn es eine unangenehme Botschaft ist, die man übermitteln muss, oder eine unangenehme Position ist, die mein Klient vertritt. Nur so schafft man Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Letztlich braucht es in der aktuellen Situation auch Demut und Bescheidenheit im Sport. Wir befinden uns nun seit beinahe zwei Jahren in einer weltweiten Ausnahmesituation. Viele Sportlerinnen und Sportler befinden sich in einer privilegierten Situation, in der sie – wenn auch unter gewissen Einschränkungen – ihren Beruf weiterhin ausüben können, während viele Menschen weltweit seit Ausbruch der Pandemie Angehörige verloren haben, ihre wirtschaftliche Existenz bedroht ist, massiv in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt werden oder in Spitälern und Heimen mit grossem Leid konfrontiert sind. Eine privilegierte Behandlung eines Athleten oder einer Athletin lässt sich da nur schwer rechtfertigen.
Mit den Erfolgen und der weltweiten Euphorie rund um Marco Odermatt hat meine zeitliche Belastung in den vergangenen Monaten noch einmal stark zugenommen. Nach einem Sieg von Marco Odermatt erhalte ich teilweise bis zu 400 Nachrichten. Darunter befinden sich viele Glückwünsche, aber auch Anfragen und Wünsche von Sponsoren, Medien etc. Neue Anfragen prüfe ich immer. Der Unterschied zur Unternehmensgründung besteht nun darin, dass ich mich in der privilegierten Situation befinde, auch einmal eine Anfrage negativ beantworten zu können, wenn es nicht passt.
Ich kann einen Athleten oder eine Athletin nur dann zielführend und erfolgreich beraten, wenn wir ein ähnliches Werteverständnis sowie eine übereinstimmende Arbeitsauffassung haben. Auch die Erwartungshaltung, was sich beide Akteure aus dieser Partnerschaft erhoffen, muss zu Beginn klar kommuniziert werden, ansonsten kostet ein solches Engagement nur viel Zeit und Energie und endet für beide Seiten frustrierend.
Diese Aussage von Michael Hilti hatte mich damals sehr gefreut, zumal ich Michael Hilti als Mensch und Unternehmer sehr schätze. Von meinen langjährigen Erfahrungen in der Konzernwelt profitiere ich auch heute noch. Mit meiner Selbständigkeit hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Ich bin nicht jemand, der zurückschaut, sondern ich blicke stets nach vorne. Ich möchte die Freiheit, Selbständigkeit und Flexibilität, die mir meine aktuelle Tätigkeit bietet derzeit nicht missen. Alles, was ich heute tue, obliegt meiner Entscheidung und Verantwortung. Im Rahmen der üblichen Beschränkungen kann ich alles selbst gestalten, entscheiden und kann auch einmal eine Zusammenarbeit beenden, wenn sie gegen mein Werteverständnis verstösst. In der globalen Konzernwelt sind die Abhängigkeiten weit grösser und die Gestaltungsfreiheit des Einzelnen stark eingeschränkt.
Ich war immer sehr sportbegeistert. Naheliegend wäre ein Engagement in einem Fussballverein gewesen, da der Fussball mir lange Zeit am nächsten gewesen ist. Meine Stärken liegen im Umgang mit Menschen, sei es im Sport oder auch im Geschäftsalltag. Ich hätte mir auch eine Art Coaching ausserhalb des Sports vorstellen können.
Als Abrogans wird das älteste existierende Buch in deutscher Sprache bezeichnet, das sich in der Stiftsbibliothek St. Gallen befindet. Dessen erster Eintrag ist ‘Abrogans’ was mit dem altdeutschen Wort dheomodi, – bescheiden, demütig – übersetzt wird. Mit dem Buch und seinem Aufbewahrungsort verbindet mich eine besondere Beziehung. Mein Grossvater zog Anfang des letzten Jahrhunderts aus Österreich nach St. Gallen, um die Malereien in der Stiftsbibliothek St. Gallen zu restaurieren. Meine Familie fand damit in der Schweiz nicht nur Arbeit, sondern auch Heimat. 100 Jahre später bin ich für die Stiftsbibliothek St. Gallen in strategischen Kommunikationsthemen beratend tätig, was mich mit Stolz erfüllt. Demut und Bescheidenheit sind aber auch in der Kommunikationsarbeit unerlässlich. Der Name Abrogans macht für mich und mein Unternehmen deshalb in mehrfacher Hinsicht Sinn.
Ich denke gerne an diese Zeit zurück und habe diesen intensiven und interessanten Austausch mit Lehrkräften und meinen Studienkollegen sehr geschätzt. Aus der Weiterbildung konnte ich sehr wertvolle Impulse für meinen Alltag mitnehmen und pflege heute noch regelmässigen Kontakt mit meinen Studienkollegen.
Vielen Dank für das spannende Interview, lieber Michael!