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Marco Otero


Alumni des Monats Juni 2020
Technischer Direktor Valencia C. F.

Geboren wurde Otero 1974 als Sohn spanischer Gastarbeiter im Kreis 4 in Zürich. Der Vater war Präsident eines spanischen Klubs in der Stadt, womit Otero schon früh mit dem Fussball in Berührung kam. Im Alter von zehn Jahren trat er dem Zürcher Stadtklub FC Red Star bei, in dem er die gesamte Juniorenabteilung durchlief. Daneben absolvierte er eine Banklehre und liess sich später beim Bankverein zum Finanzfachmann ausbilden. Bereits mit 16 Jahren stieg Otero als Trainer einer D-Junioren-Mannschaft ins Trainermetier ein. Es folgten mehrere Assistenz- und Haupttrainertätigkeiten, u. a. beim FC Blue Stars Zürich und danach bei der U21 des Schweizer Rekordmeisters Grasshopper Club Zürich lancierte. Im Jahr 1999 wurde ihm als Chef Préformation die Verantwortung für den Nachwuchs des Rekordmeisters übertragen. Diese Funktion übte er mehr als fünf Jahre aus. Anschliessend übernahm er die gleiche Stelle beim FC Basel 1893. Nach wiederum fünf Jahren kehrte er als Technischer Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung zu seinem ehemaligen Verein nach Zürich zurück. Nach einem Abstecher nach Russland 2014 - als Co-Trainer von Spartak Moskau – verpflichtete ihn der FC St. Gallen 1879 als Ausbildungschef. Im Jahr 2018 absolvierte Marco Otero dann die Sportmanagement-Weiterbildung und folgte ein Jahr später dem Ruf aus Spanien, wo er nun als Technischer Direktor der Nachwuchsakademie des renommierten Vereins Valencia C.F. tätig ist.

Eine Erfahrung, auf die der 46-jährige Zürcher besonders gerne zurückblickt, durfte Otero im Rahmen der Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich machen. Die UEFA und der spanische Fussballverband hatten sich um Mitarbeiter aus den Austragungsländern erkundigt. Die Erfolgsgeschichte nahm im Januar 2008 am damaligen UEFA-Workshop, an dem Otero erstmals mit Spaniens Trainer Luis Aragones und den spanischen Verbandfunktionären Bekanntschaft machte, ihren Lauf. Seine langjährige Erfahrung als Trainer sowie seine Mehrsprachigkeit – Otero spricht sieben Sprachen – haben den damaligen Trainer von Spanien besonders beeindruckt. Was folgte war einmalig: Marco Otero durfte in seiner Funktion als Teammanager, oder wie er es nannte als «Troubleshooter», während des ganzen Turniers die «Furia Roja» in organisatorischer Hinsicht unterstützen. Otero war dank seiner authentischen und unkomplizierten Art schnell in der Delegation integriert und konnte auch mit seinem fussballerischen Know-how überzeugen. Höhepunkte gab es dabei viele: der Sieg im Penaltyschiessen im Viertelfinal gegen Italien, der Moment, als Captain Iker Casillas die Trophäe in den Wiener Nachthimmel stemmte, das Siegerfoto mit Otero am rechten Bildrand bis hin zu den Feierlichkeiten in Madrid, als die Mannschaft nach dem Titelgewinn auf einem offenen Bus durch die Strassen fuhr und knapp eine Million Menschen ihren Helden zujubelten.

Ein bewegtes Leben im Dienste der Entwicklung im Fussball aus Berufung und Überzeugung.

Frage 1: Herr Otero, seit der Sportmanagement-Weiterbildung an der Universität St. Gallen hat sich beruflich Einiges getan. Sie sind aktuell Technischer Direktor bei Valencia C.F. Wie sind Sie zu Ihrer heutigen Aufgabe gekommen?

Die Nachwuchsarbeit in der Schweiz wird weit über die Landesgrenzen hinaus wahrgenommen und oft positiv bewertet. Ich konnte mir über die Jahre ein grosses Netzwerk im Fussball aufbauen. Aufgrund dieser Kontakte wurde ich immer wieder mit spannenden nationalen und internationalen Projekten konfrontiert. Oft hatte das Timing für eine Realisierung nicht gestimmt.  

Im Fall Valencia C.F. verlief der Evaluationsprozess in einem ungewöhnlich kurzen Zeitraum. Ich traf mich ein erstes Mal mit der sportlichen Leitung des Vereins in Zürich. Diesem Treffen folgte ein paar Tage später bereits eine Reise nach Valencia um mir die Infrastruktur vor Ort anzuschauen und meine Ausbildungsphilosophie der Geschäftsleitung vorzustellen. Wiederum ein paar Tage später kam es zu einem abschliessenden Gespräch mit dem Präsidenten und dem Verwaltungsrat, die mir dann die Zusage erteilten.

Frage 2: Wie lautet Ihr Fazit nach dem ersten Jahr beim spanischen Spitzenverein?

Ich bin sehr glücklich hier! Ich verlasse oft meine Komfortzone und bin weiterhin in einem ständigen Lernprozess, in welchem ich mit einem exzellenten Team von Speziallisten auf allen Ebenen arbeiten darf. Die Förderung des Menschen und Fussballers steht bei unserem Club im Mittelpunkt. Der Valencia C.F. investiert sehr viel in die Akademie und der Stellenwert und die Zielsetzung derselben sind extrem hoch. Die Identifikation mit dem Club ist überall spürbar – hier wird Fussball gelebt und wir sind ein Spiegel der Gesellschaft in unserer Stadt!  

Auch die Zeit während des COVID-19 haben wir sehr positiv genutzt. Wir haben die vom Club in der Vergangenheit schon sehr stark vorangetriebene Digitalisierung für uns vertieft entdecken können und werden viele neu kreierte Tools auch in Zukunft für individualisierte Trainingsprogramme oder den direkten Kontakt ausserhalb der Trainings intern sowie für unsere nationalen und internationalen Partner anbieten und nutzen.

Frage 3: Sie sind seit über 20 Jahren in leitenden Funktionen im Nachwuchsspitzenfussball tätig. Wie sehen Sie persönlich die Entwicklung des Nachwuchsfussballs?

Die Nachwuchsförderung hat in den letzten Jahren weltweit an Bedeutung gewonnen. Die Mehrheit der Clubs hat den Mehrwert einer guten Ausbildung erkannt und demensprechend investiert. Die Infrastruktur (Leistungszentren) und der Personalaufwand für den Nachwuchs sind heutzutage vergleichbar mit dem der ersten Mannschaft - mit dem Zusatz von akademischen Lösungen auf allen Stufen.

Die Schere geht auch hier immer mehr auseinander. In Ländern wie der Schweiz, um ein bekanntes Beispiel zu nennen, mit hohen Lebenshaltungskosten und oft tieferen Budgets ist eine professionelle Struktur, welche bei den meisten Clubs ausserhalb der Schweiz heute Standard ist, gar nicht umsetzbar. Um den internationalen Anforderungen gerecht zu werden brauchst du heutzutage viel mehr qualifiziertes Personal. Die medizinische Versorgung vor Ort, die Analyse von Leistungsdaten, Ernährungsberatung, die Begleitung einer akademischen Laufbahn neben der sportlichen - dafür braucht es qualifizierte Mitarbeiter und Speziallisten, welche wir hier bei Valencia C.F. haben, aber in der Schweiz in diesem Volumen praktisch von keinem Club finanzierbar sind.

Nichtsdestotrotz sollte jeder Verein das Ziel haben «Nachwuchsspieler für die erste Mannschaft auszubilden» verbunden mit einem von klein auf aufgebautes Zugehörigkeitsgefühl, einer verinnerlichten Clubidentität und Spielphilosophie sowie einem gemeinsamen Werteverständnis. Der Zuschauer möchte die Verbundenheit mit den Clubfarben wie er sie selber lebt auch von den Spielern spüren.

Frage 4: Wo liegen aus Ihrer Sicht die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Nachwuchsspitzenfussball in Spanien und dem im deutschsprachigen Raum?

Die grössten Unterschiede liegen in der Kultur und der Begeisterung für den Fussball sowie das «Volumen» an Kindern und Jugendlichen, welche Fussball spielen und Fussball in verschiedenen Formen täglich erleben dürfen. Hier in Spanien ist der Fussball allgegenwärtig. Im TV, Zeitungen, Radio, Social Media - 24/7/365. Dadurch ist die Konkurrenz für die limitierten Plätze in einer Akademie eines Spitzenvereins sehr gross und demzufolge die Möglichkeiten für die Clubs Talente zu rekrutieren nahezu grenzenlos. Die Situation ist in Deutschland vergleichbar mit Spanien. In der Schweiz und Österreich hat der Fussball trotz grossem Aufwand der Verbände und Clubs nicht diesen hohen Stellenwert in der Gesellschaft.

Frage 5: Man hört heutzutage immer wieder, dass den Nachwuchsspielern die Ecken und Kanten fehlen. Ist das tatsächlich so, dass den «Stars von morgen» die Individualität verloren geht?

Dem kann ich nur zu einem gewissen Grad zustimmen, obwohl ein Trend in diese Richtung in einigen Ländern erkennbar ist. Jedes Kind hat das Potenzial zum Genie bis es einem Erwachsenen begegnet. Das beginnt im Elternhaus und geht über in die schulische Ausbildung, die Musik und den Sport. Alle haben da eine grosse Verantwortung für die Entwicklung des Spielers, der Persönlichkeit und Kompetenzen.

Wir lassen an vielen Orten im Fussball schon bei den Kleinsten die Faktoren «Erleben», «Entdecken» und «Erfahren» zu wenig wirken und wollen den Lernprozess durch ständiges Korrigieren beschleunigen. Fussballspielen lernt man aber primär durch Spielen!

Bildung und Ausbildung können einschränkend wirken, wenn wir didaktisch und pädagogisch nicht die richtigen Tasten treffen und kein lernförderndes Umfeld anbieten. Wenn wir von klein auf die Spieler nicht in die Strategie des Spieles einbeziehen, sie nicht selbst Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen lassen, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie später als Auftragsempfänger auf dem Platz «herumirren» oder aufhören zu spielen und sich lieber an der Konsolen vergnügen, wo sie ohne Einfluss von Erwachsenen Leadership und Verantwortung für sich selbst und ihre Spieler übernehmen dürfen.

 
Frage 6: In Ihrer Zeit beim FC St.Gallen mussten Sie auch des Öfteren Kritik an der eigenen Person anhören. Wie gingen Sie damit um?

Kritikfähigkeit ist ein wichtiger Bestandteil unserer Entwicklung und der sachliche und differenzierte Umgang damit hat dem FC St. Gallen einige vielversprechende junge Talente für die 1. Mannschaft geliefert.

Frage 7: Die Europameisterschaft 2008 war für Sie ein unvergessliches Erlebnis. Sie lebten mit Stars wie Iker Casillas, Xavi, Sergio Ramos oder Andrés Iniesta Tür an Tür. Wie erlebten Sie diese Stars persönlich?

Grossartige Fussballer sind fast immer auch grossartige Menschen mit einem Werteverständnis bei dem Respekt und Anstand gegenüber allem, ohne dabei Ihre Authentizität zu verlieren, hervorsticht. Bescheidenheit ist kein Gegner von grosser Ambition und dies war bei der Nationalmannschaft einer der Schlüssel zum Erfolg.

Frage 8: Halten Sie noch den Kontakt zu den Spielern der Europameistermannschaft 2008?

Ja, mit den meisten. Viele sind heute Profitrainer oder arbeiten in verschiedenen Funktionen in den Akademien hier in Spanien, sodass wir uns oft an Turnieren oder Spielen treffen oder über die gewohnten und bekannten Kommunikationskanäle der heutigen Zeit kommunizieren. Die Spieler, welche noch aktiv spielen, treffe ich gelegentlich bei den Spielen unserer ersten Mannschaft. Es ist immer ein sehr nostalgischer Austausch.

Frage 9: Zehn Jahre später – im Juli 2018 – schlossen Sie die Sportmanagement-Weiterbildung der Universität St.Gallen erfolgreich ab. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Weiterbildung?

Das CAS hat mir neue Perspektiven ermöglicht sowie den Fokus auf Bereiche erweitert, welche in der jetzigen Tätigkeit bei einem international tätigen Club und seiner Akademie von grosser Bedeutung geworden sind. Die Anforderungen an eine Führungsperson im Fussball sind heute vielseitiger und intensiver als nur das Kerngeschäft Fussball auf dem Platz. Das CAS hat mich auf diese VUKA-Welt (volatil, unsicher, komplex und ambivalent) auch im Fussball vorbereitet.

Frage 10: Wie war der Umgang unter den Mitstudenten?

Hervorragend, unvergesslich und anhaltend in der Zeit! Wir wurden schnell zu einer «Learning-Community». Die Vielseitigkeit an Persönlichkeiten und Tätigkeitsumfeldern verbunden mit einem erstaunlich offenen Erfahrungsaustausch stellten einen enormen und unbezahlbaren Mehrwert dieser Weiterbildung dar. Besonders möchte ich nochmals einen Abendevent hervorheben: Als designierter Coach durch meine Mitstudenten erinnere ich mich gerne an den Kantersieg gegen die Betriebsmannschaft von Schalke 04 als eine weitere teambildende Massnahme, welche in den Geschichtsbüchern des CAS nicht zu überbieten sein wird (lacht).

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Otero!

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